Micha klagt über sein Volk
1Ich unglücklicher Mensch! Ich komme mir vor wie einer, der nach der Ernte hungrig durch die Weinberge streift oder die Feigenbäume nach Früchten absucht. Doch nichts: Keine Traube und keine Feige ist mehr zu finden! 2 Ja, im ganzen Land gibt es keine rechtschaffenen Menschen mehr, keiner fragt mehr nach Gott. Einer macht Jagd auf den anderen und wartet bloß auf eine Gelegenheit, um Blut zu vergießen. 3 Sie haben nur Böses im Sinn, und darin sind sie wahre Meister. Die führenden Männer lassen sich bestechen, die Richter sind käuflich, und die Mächtigen entscheiden aus reiner Willkür. So arbeiten sie alle Hand in Hand. 4 Selbst die Besten und Ehrlichsten unter ihnen sind wie Dornhecken, die bloß Schaden anrichten.
Aber der Tag kommt, an dem euch die Strafe trifft – die Propheten haben es vorausgesehen und euch davor gewarnt. Dann werdet ihr mit eurer Weisheit am Ende sein!
5 Trau keinem einzigen Menschen mehr, nicht einmal dem besten Freund! Sei verschwiegen wie ein Grab, auch bei der Frau in deinen Armen! 6 Denn der Sohn achtet den Vater nicht mehr, die Tochter lehnt sich gegen die Mutter auf und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter. Die eigenen Angehörigen werden zu Feinden!
7 Doch ich verlasse mich auf den Herrn, ich warte auf seine Hilfe. Ja, mein Gott wird mich erhören!
Der Herr wird uns retten!
8 Freut euch nur nicht zu früh, ihr Feinde! Wir liegen zwar am Boden, doch wir stehen wieder auf. Wir sitzen im Finstern, aber der Herr ist unser Licht. 9 Wir haben gegen ihn gesündigt und müssen nun seinen Zorn ertragen. Doch er wird wieder für uns eintreten und das Unrecht vergelten, das man uns angetan hat. Er führt uns von neuem hinaus ins Licht. Wir werden erleben, wie er für Recht sorgt!
10 Wenn unsere Feinde das sehen, müssen sie sich in Grund und Boden schämen. Spöttisch riefen sie uns zu: »Wo bleibt denn der Herr, euer Gott?« Aber dann werden wir über sie triumphieren, man wird sie zertreten wie Dreck auf der Straße!
11 Jerusalem, es kommt die Zeit, in der deine Mauern wieder aufgebaut werden und dein Herrschaftsgebiet sich weit ausdehnt. 12 In jenen Tagen werden die Menschen von überall her zu dir strömen: aus Assyrien und den Städten Ägyptens, aus dem gesamten Gebiet zwischen Euphrat und Nil, ja, von weit entfernten Küsten und Gebirgen. 13 Die Erde aber wird zur Wüste wegen der Schuld ihrer Bewohner.
14 Herr, kümmere dich um dein Volk wie ein Hirte um seine Schafe, denn wir gehören doch dir! Wir leben einsam in der Öde, doch um uns her dehnt sich fruchtbares Land. Bring uns, deine Herde, dorthin zurück, ja, führe uns wieder auf die saftigen Weiden von Baschan und Gilead, so wie in vergangenen Zeiten. 15 Vollbringe Wunder für uns wie damals, als unsere Vorfahren aus Ägypten zogen.[a] 16 Dann müssen die anderen Völker beschämt zusehen und können trotz ihrer Macht nichts dagegen tun. Sprachlos werden sie sein, es wird ihnen Hören und Sehen vergehen! 17 Sie sollen Staub fressen wie Schlangen und Würmer. Zitternd vor Angst werden sie aus ihren Festungen kriechen und sich vor dir, dem Herrn, unserem Gott, beugen. Ja, vor dir werden sie sich fürchten!
18 Herr, wo ist ein Gott wie du? Du vergibst denen, die von deinem Volk übrig geblieben sind, und verzeihst ihnen ihre Schuld. Du bleibst nicht für immer zornig, denn du liebst es, gnädig zu sein! 19 Ja, der Herr wird wieder Erbarmen mit uns haben und unsere Schuld auslöschen. Er wirft alle unsere Sünden ins tiefste Meer. 20 Herr, du wirst uns, den Nachkommen von Abraham und Jakob, deine Treue und Gnade erweisen, wie du es einst unseren Vorfahren geschworen hast.
Footnotes
- 7,15 Oder: (Gott sagt:) Ich werde Wunder für euch vollbringen wie damals, als eure Vorfahren aus Ägypten zogen.